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Artikel vom 12.12.2010, Tiroler Tageszeitung

Von Nicole Unger

Innsbruck, Krems – Ilse sitzt in einem Sessel in ihrer Wohnung in Krems und lächelt. Die Worte, die aus ihrem Mund sprudeln, wollen jedoch nicht so recht zusammenpassen. Ilse hat vergessen. Vergessen, einen Satz zu bilden, vergessen, was sie eigentlich zu erzählen hat. Gedankenverloren zupft die Mitte-70-Jährige mit der Hand in ihrem Gesicht und pfeift immer wieder ein bisschen vor sich hin. Ilse hat Alzheimer.

Die Szene stammt aus dem Film „Ilse, wo bist du?“. Er zeigt das Leben einer an Demenz erkrankten Frau, gefilmt von ihrer Tochter Ulrike Halmschlager. Die Salzburger Filmemacherin hat ihre Mutter zwischen 2002 und 2006 bis zu deren Tod im Alter von 79 Jahren mit der Kamera begleitet. Entstanden ist ein 45-minütiger Film, der Einblicke in die Welt des Vergessens geben soll. Sehr persönlich, sehr traurig und sehr schön.

Und obwohl Ilses Tod bereits vier Jahre zurückliegt, ist für Ulrike Halmschlager genau jetzt der richtige Zeitpunkt, ihre Produktion zu präsentieren. „Die Menschen sind jetzt bereit hinzuschauen“, erzählt die 50-Jährige. Vor einigen Jahren sei das noch nicht der Fall gewesen. „Es war nicht üblich, jemanden in der Öffentlichkeit zu sehen, der krank ist.

Vielmehr hat man Menschen mit Alzheimer regelrecht versteckt. Es existierten zu viele Ängste", erzählt Halmschlager und fährt fort: "Ich und meine Schwester Andrea wollten unsere Mutter aber nicht verstecken." Im Gegenteil: Die Frau hatte mit dem Film die Ambition, die Menschen wach zu rütteln und pflegenden Angehörigen Mut zu machen. Denn so schrecklich die Krankheit auch ist, Halmschlager hat gelernt, die positiven Seiten der Demenz zu sehen.

Durch Alzheimer hatte ihre Mutter endlich die Chance loszulassen und ihre innersten Gedanken rauszulassen. Vorher lebte Ilse stets nach dem Motto: Was denken nur die Leute? Im Laufe der Krankheit hat sie auf die Meinung der anderen gepfiffen, erinnert sich Halmschlager, die im Film schonungslos mit dem Tabu-Thema umgegangen ist. "Was ist verrückt, was ist normal. Alles eine Frage der Betrachtung. Du hast ein Recht zu verblöden", sagt die 50-Jährige etwa in einer Filmszene herausfordernd. Die Worte habe sie im Film bewusst provokant gewählt, verrät Halmschlager im Nachhinein. Denn das Leben sei hart. Genauso hart, wie es war, der Mutter zuzuschauen, wie sie Tag für Tag ein bisschen mehr stirbt und wie jede simple Handlung plötzlich zum Gewaltakt wird.

"Man erlebt eine ganze Palette von Gefühlen. Freude, Angst, Trauer und Wut. Wut deshalb, weil Ilse plötzlich nicht mehr unsere Mutter war, sondern sich immer mehr
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